Die Geschichte der Cranger Kirmes  - Seite 2

1929 schrieb die Presse,das der Pferdemarkt nach dem Kriege 1914-1918 durch die Motorisierung immer mehr an Bedeutung verloren hat. Nur 1200 Pferde wurden aufgetrieben . Der Handel soll nicht besonders gut gewesen sein. Unter den Pferdehändlern fehlten auch nicht die Zigeuner, die dieses Mal in besonders grosser Zahl und mit einer Reihe von Wagen erschienen waren. Sie erhielten besondere Plätze zugewiesen und durften sich nicht unter die anderen Händler mischen.

 

bild4 Außer für die Kaufinteressenten, war für die übrige Bevölkerung der Pferdemarkt schon längst nicht mehr der Hauptanziehungspunkt. Aus dem Stelldichein der Landwirte und Pferdehändler war das Volksfest des Ruhrgebiets ,die Cranger Kirmes, geworden. Auf dem Festplatz waren nun Zirkus, Kasperletheater, Schaubuden , Glücksräder und Schiffschaukeln vertreten.
Zigeunerlager 1930
 

 

 Friedrich Brockhoff (1845-1926), ehemaliger Rektor der Cranger Schule schilderte 1924 die Cranger Kirmes seiner Kinder- und Jugendzeit wie folgt:

"ein bedeutender Tag für die 5 Wirte an der Dorstener Strasse (Garthmann, Abenhard, Funcke, Sassenhoff und Brockhoff) war der 10.August, der Laurentiustag,  an dem seit Jahrhunderten die berühmte Kirmes (Kirchweihfest) verbunden mit dem bedeutendsten Pferdemarkt in Westfalen stattfand. Dann stellten sich nicht nur die Pferdehändler und Pferde aus Westfalen , sondern auch aus den benachbarten Provinzen in unserer Stadt ein. Besonders geschätzt waren die im Emscherbruch (Crange, Herten, Recklinghausen, Buer und Bottrop) wild umherlaufende Pferde, die kurz vor dem 10.August eingefangen und gezähmt wurden und am 10.August auf dem Markt kamen. Vielfach versah sich auch die preußische Armee auch mit diesen Pferden. Die genannten 5 Wirte trafen die Vorbereitungen für die Aufnahme der Pferde, indem sie Pferdestelle neu einrichteten, auf den großen Hofräumen Pfosten eingruben, damit die Pferde daran festgebunden wurden. Mit dem Pferdemarkt war der Vieh- und Kirmesmarkt verbunden. Karussel, Schaukel, Schieß- und Tierbuden, Kölner Hänschen usw. sorgten für Zerstreuung. Zelte bargen allerlei Leckereien und Spielsachen für die Kinder und Waren für den Haushalt. Wenn von Mittag an die Pferde und sonstige Tiere hereingeführt wurden, stellten sich nachmittags aus allen umliegenden Orten Kirmesbesucher ein, so daß den ganzen Tag die Straßen, leeren Plätze und Wirtschaften die Menschen kaum fassen konnten. Am Abend wurde in den Sälchen der 5 genannten Wirte zum Tanz aufgespielt, während auf den Strassen Drehorgeln, Zieh- und Mundharmonikas, Sänger, Ausrufer einen betäubenden Lärm verursachten. Auf die Kirmes freuten sich besonders die Kinder schon viele Wochen vorher und suchten sich Kirmesgeld zu verdienen. Da die Eltern vielfach von Verwandten und Freunden an diesem Tage besucht wurden, so erhielten die Kinder oft auch von diesen Kirmesgroschen zum Geschenk. Mir machte es als Kind eine besondere Freude, wenn ich in der Nacht vor der Kirmes im Heu schlafen musste, denn dann wurden schon in der frühsten Morgenstunde einige Dachziegel beiseite geschoben und der Kopf durchs Dach gesteckt, um das Kommen der wiehernden Pferde und deren Führer zu beobachten."

 
 
 

 

bild5

Am 12.08.1929 stand im Wanne-Eickeler Lokalanzeiger:

" Wenngleich auch die beiden ersten Tage der Cranger Kirmes einen verhältnismäßig guten Besuch zeigten, so übertraf der gestrige Sonntag- der Schlußtag der Kirmes- alle Erwartungen. Wahre Völkerwanderungen setzten schon am Nachmittag nach dorthin ein. Aus allen Teilen unserer Stadt ströhmten die Besucher herbei, Strassenbahnen, autobusse, ja sogar die sonst so verpönten Pferdedroschken waren überfüllt. Selbst aus den benachbarten Orten kamen die Menschen herbei, denn keiner wollte sich die so berühmte Kirmes in Crange entgehen lassen."

lange Jahre in Crange - Zirkus Schickler 1926
 

 

Auf dem Höhepunkt der Wirtschaftskirise 1931, gab es viele Arbeitslose. Das die Wanne-Eickeler Bevölkerung trotz Arbeitslosigkeit nicht auf ihr traditionelles Volksfest verzichten wollten, geht aus dem nachstehenden Auszug eines Gedichtes hervor, das am 12.08.1932 in der Wanne-Eickeler Zeitung erschien:

"Die Schwäger, Nichten und die Neffen,
 
Sie alle wirst du an dort treffen
 
Die Kirmes die gehört doch schon
 
Zum Wanne-Eickeler "guten Ton"!
 
   
In neunzehnhundertzwounddreißig  
Fürs Vergnügen -tja, das weiß ich!-  
Den meisten wenig Geld; doch fehlt  
Es nicht an Zeit, und Zeit ist Geld  
   
Mit diesem Geld in unsern Taschen  
Laßt uns vom Kirmes-Frohsinn naschen  
Und hauen das Gespenst der Not  
-Sei´s nur für eine Weile - tot!

 

Im Wanne-Eickeler Lokalanzeiger stand auch diese Milieuschilderung

"Emsiges Treiben herrschte schon gestern im Dorf Crange. An allen Ecken und Enden wurde gehämmert, gezimmert und Leinwand gespannt. Eine hübsche grosse Zeltstadt ist wieder mal entstanden, mit Attraktionen aller Art. Zelt"stadt" trifft in Crange am besten zu; denn dort gibt es ja keinen eigentlichen Kirmesplatz; man schlängelt sich durch die Budenreihen, die längst der Hindenburgstrasse stehen und schiebt sich auf die Bröldicksche Wiese, macht dort die Runde an Karussels, Schiffschaukeln, Riesenrad, Jux und Verkaufsstände vorbei, landet wieder auf der Hauptstrasse, wo man von einer "Gasse" in die andere geht. Zum üblichen Rummel finden wir hier noch Sehenswürdigkeiten in Hülle und Fülle, Zirkusschauen, Variete-Attraktionen, Zauberkünstler und alles Mögliche. Man konnte auch "Höllenfahrten" machen und einen "Wasserfall" hinabrutschen."

 bild1

Cranger Kirmes Anfang der 30er Jahre
   

 

 

Am 15.08.32 schrieb die Wanne-Eickeler Zeitung:

"Die Eintrittspreise standen während dreier Tage im Zeichen des Abbaus. Für 5 Pf. sah man die halbe Welt- durch das Vergrösserungsglas natürlich. Die Wahrheit aus den Handlinien wurde einem für 1 Groschen gepredigt. Der Kirmesauftrieb sei stark zurückgegangen. Man hoffe aber, daß sich Schausteller, Stadtverwaltung und Fahrzeugbesitzer, die Tausende von Menschen nach Crange befördert hatten, trotz der miserablen Verhältnisse über den Verdienst nicht beklagen könnten"

 

bild6
 
Puppenspieler in Crange 1926
 

Und es gab auch was zum Schmunzeln:

"Wanne bei Nacht"

Dannekämper Jungen errichteten einmal eine Bude mit der verheißungsvollen Ankündigung: "Wanne bei Nacht!" Man wurde für fünf Pfennig hineingelassen und sah den Sternenhimmel. Die Polizei hatte damals weniger Humor als das genasgeführte Publikum und verbot den 5 Pf Ausblick

   

 

 

bild7
 

!935 wurde die 500. Cranger Kirmes gefeiert. Die Veranstalter hatten mit erheblichen Aufwand ein grosses Festprogramm ablaufen lassen.

Die sonst dreitägige Kirmes ging ausnahmsweise anlässlich der 500 Jahr Feier 5 Tage lang.

Die letzte grosse Kirmes vor dem 2. Weltkrieg fand dann 1939 statt. Dann gingen für viele Jahre auch in Crange die Lichter aus

Cranger Kirmes 1939
 

 

Bilder: Archiv Stadt Herne  
< die Geschichte der Cranger Kirmes - Seite 1     > die Geschichte der Cranger Kirmes - Seite 3

1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 Rating 5.00 (1 Vote)